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Vierbeinige Unterstützung für mehr Unabhängigkeit

Ezra mit Führgeschirr

Im Oktober konnte die Stiftung Schweizerische Schule für Blindenführhunde in
Allschwil ihr 50-jähriges Jubiläum feiern. Gleich mehrere der dort top ausgebildeten Hunde sind im Worblental zu Hause und leisten wertvolle Arbeit. Ein eingespieltes Duo aus Frau und Hund durfte die Bantiger Post in Ostermundigen besuchen.

An einem klirrend kalten Wintertag empfangen uns Jolanda Gehri und ihre Blindenführhündin Ezra bei sich zu Hause in einer Wohnsiedlung im Ostermundiger Oberfeld. Nach einer freundlichen Begrüssung durch Frau Gehri und einem kurzen Beschnuppern einer charmant-neugierigen Hundeschnauze setzen sich die zweibeinigen Gesprächsteilnehmerinnen an den Esstisch, während die Hundedame sofort auf das Kommando ihrer Halterin reagiert und hinter ihr Platz nimmt.

Die ersten Hundejahre

Jolanda Gehri erzählt, dass Ezra bereits ihr vierter Blindenführhund ist. Die 5-jährige Labradorhündin stammt aus der eigenen Hundezucht der Blindenführhundeschule in Allschwil. Nach den ersten 10 Lebenswochen in der Zucht verbrachte Ezra wie alle Allschwiler Hunde rund 1.5 Jahre bei einer Patenfamilie. Als sich zeigte, dass Ezra sich für die Führarbeit eignet, wurde sie während 9 Monaten mit viel Aufwand und Hingabe an der Blindenführhundeschule ausgebildet. Nach bestandener Prüfung kam sie mit knapp 2.5 Jahren in die Obhut von Frau Gehri.

«Ein Führhund beherrscht rund 30 Hörzeichen. Er erkennt Hindernisse und kann Örtlichkeiten wie Türen, Treppen, Fussgängerstreifen und Billetschalter anzeigen»

Während der zweiwöchigen Einführung im neuen Zuhause wird jedes frische Gespann aus Halter:in und Hund von einem Instruktor oder einer Instruktorin eng begleitet. Jolanda Gehri erinnert sich gut: «Die ersten beiden Wochen sind sehr streng und man ist den ganzen Tag auf den Beinen». Während dieser Zeit lernen Halter:in und Hund, sich die Hauptwege einzuprägen, die sie später als Gespann bewältigen werden. Es werden also Einkaufswege, der Arbeitsweg oder andere wichtige Strecken in stundenlanger Arbeit eingeübt. Dabei lernen sich die neuen Gespanne gut kennen und bauen Vertrauen auf.

Stiftung Schweizerische Schule für Blindenführhunde Allschwil

1972 wurde die Stiftung Schweizerische Schule für Blindenführhunde Allschwil gegründet. Walter Rupp und Christine Rüedi leisteten Pionierarbeit und bauten die Schule kontinuierlich aus. Heute werden neben den Blindenführhunden auch die Sparten Assistenzhunde, Autismusbegleithunde und Sozialhunde ausgebildet. Gezüchtet werden in Allschwil jährlich um die 70 Labrador Retriever und Labrador-Golden-Retriever-Hybriden, da sie mit ihrem freundlichen Naturell, ihrer Leichtführung und Anpassungsfähigkeit ideale Charaktermerkmale mitbringen. In der Regel eignen sich maximal 50% eines Wurfs als Blindenführhunde. Weitere 40% kommen in den übrigen Sparten zum Einsatz. 

Blindenführhundeschule in Allschwil

Patenplätze auch in unserer Region gesucht

Aktuell sucht die Blindenführhundeschule Allschwil wieder engagierte, tierliebende Menschen, die einen 10 Wochen alten Labradorwelpen für ca. 1.5 bis 2 Jahre bei sich aufnehmen. Es dürfen gerne auch hundeunerfahrene Interessierte einen Patenhund bei sich aufnehmen. Wichtig ist, dass eine Patin oder ein Pate über genügend Zeit verfügt, körperlich fit und nicht älter als 65-jährig ist. Sämtliche Auslagen (Futter, Gesundheitskosten, Hundekurse etc.) werden durch die Blindenführhundeschule getragen. Der ehrenamtliche Einsatz ist zeitaufwändig, jedoch eine schöne und sinnstiftende Aufgabe. Weitere Infos zur Hundepatenschaft: www.blindenhundeschule.ch/patenhunde oder Tel. 061 487 95 95

Welpen mit Hündin aus der Allschwiler Zucht

Mit gutem Gefühl unterwegs

«Es ist nicht so, dass ich die Wege nicht ohne Hund absolvieren könnte, dank Ezra bin ich jedoch wesentlich weniger auf die Unterstützung von Mitmenschen angewiesen und habe mehr Sicherheit, wenn ich mich draussen fortbewege», erläutert Jolanda Gehri. Selbstverständlich bringt ein Hund nicht nur Freuden sondern auch Pflichten mit sich. Wer sich für einen Hund entscheide, müsse diesen auch pflegen und bewegen. So sind Frau Gehri und Ezra nicht nur gemeinsam unterwegs, um von A nach B zu gelangen, sondern ebenso, damit Ezra sich, wie jeder andere Hund auch, austoben und frei bewegen darf. Kann Frau Gehri einmal selber nicht mit Ezra im nahen Wald spazieren gehen, beispielsweise wenn es Glatteis hat und es für sie als blinde Person zu gefährlich ist, dann hat sie in ihrem Umfeld Leute, die die fröhliche Hundedame gerne für sie ausführen. 

Finanzierung

Wer einen Führhund erhält, dem entstehen keine Kosten, auch nicht für Futter oder Tierarztbesuche. Ein Teil der Auslagen für die Ausbildung und den Unterhalt der Vierbeiner wird durch die Invalidenversicherung abgegolten. Die restlichen Kosten übernimmt die Stiftung, welche ihre Arbeit zu einem Grossteil durch Spenden, Legate und den Verkauf von Werbeprodukten finanziert. Die Zucht und vor allem die aufwändige Ausbildungszeit sind teuer. Bis ein Führhund fertig ausgebildet ist, belaufen sich die Kosten auf rund 65’000 Franken. Entsprechend werden die Tiere nicht nur nach Arbeitseignung ausgewählt, sondern durchlaufen vor der Ausbildung auch sorgfältige Gesundheitschecks. Ein Labrador sollte idealerweise bis elf-, zwölfjährig als Arbeitshund dienen können und nicht krankheitshalber bereits nach wenigen Jahren wieder ausfallen. Die Hunde bleiben ihr Leben lang Eigentum der Schule. Jedes Mensch-Hundegespann wird mindestens einmal jährlich von einem Instruktor oder einer Instruktorin besucht und wird auch sonst bei Fragen und Problemen zuverlässig unterstützt.

Auch Hunde werden pensioniert

Spätestens mit zwölf Jahren hat ein Blindenführhund sein Pensionsalter erreicht. Erhält eine blinde oder sehbehinderte Person einen neuen Führhund, kann dieser nicht zusammen mit dem alten Tier gehalten werden. In der Regel findet dieses dann ein liebevolles Plätzchen im Umfeld der Haltenden. Und wenn nicht, vermittelt die Blindenführhundeschule ein neues Zuhause. Wer sich keinen neuen Hund zulegen will oder kann, darf seinen Vierbeiner selbstverständlich bei sich behalten, dieser darf jedoch nicht mehr als Führhund arbeiten, sondern – wie bei den Menschen auch – den wohlverdienten Ruhestand geniessen.

Hunde im Dienst nicht ablenken

Auf die Frage, was sie sich von ihren Mitmenschen wünschen würde, meint Frau Gehri: «Für mich ist es schwierig, wenn die Leute Ezra unterwegs anfassen. Hat sie das Führgeschirr an, ist sie bei der Arbeit und darf nicht gestört werden. Und auch wenn ich mit der normalen Leine unterwegs bin, wäre ich froh, wenn die Leute zuerst fragen, bevor sie Ezra streicheln.»

Corinne Fischer

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