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Schlagzeilen und Bilderfluten

Am Sonntag war der 1. Advent. Mancherorts sorgte die erste brennende Kerze auf dem Adventskranz für eine vorweihnächtliche Stimmung und einen Guetzli-Duft.

Advent

Der Advent lässt Zeit zurückzudenken auf die vergangenen Wochen und Monate. Wenn ich aus dem Fenster schaue in den Garten hinaus, wenn ich die im Wind wirbelnden Blätter sehe, von den Bäumen endlich freigegeben, wenn ich den Duft der Gerstensuppe rieche, dann bin ich zu Hause. In Sicherheit. Geborgen. Geschützt.

«Wir leben im Reservat», sagte kürzlich jemand zu mir. Also in einem uns zugewiesenen Lebensraum. Zufällig. Ein Gebiet, das uns fernhält von Krieg und Zerstörung, von täglichem Bombenhagel, vor willkürlichen Inhaftierungen. Wenn ich nun also zurückdenke an dieses sich bald schon zu Ende neigende Jahr, so finde ich mich nur schlecht zurecht. Mir scheint, dass ich die Orientierung endgültig verloren habe und mein Orientierungssinn war doch ohnehin nie gut.

Überschwemmt bin ich von Bilderfluten und stündlich neuen Schlagzeilen. Überfordert. Ich stelle fest, dass in der Ukraine immer noch Krieg ist. Im kommenden Februar werden es zwei Jahre sein, dass die dortige Bevölkerung für ihr Land kämpft. Ich stelle fest, dass auch ein Krieg im Nahen Osten herrscht. Und Kriege in Afrika, in Syrien. Und egal wie ich es drehe und wende, Kriege bringen Tod und Not, Verzweiflung und Verwüstung.

Ich stelle fest, dass es grosse Waldbrände gegeben hat. In Griechenland, in der Türkei, in Kanada, auf Hawaii. Es gab Dürren, Überschwemmungen, Erdbeben, Orkane, Flüchtlingsströme. Es gibt Hungersnöte und entvölkerte Landstriche voll von verzweifelten Menschen.

Ich bin die Zuschauerin, der Zaungast, der in sicherem Abstand zur Kenntnis nimmt, hilflos bleibt, ratlos, fassungslos. Ich bin diejenige, die Mitleid hat, die spendet, die schweigt, weil es ihr die Sprache verschlägt. Die ihre Fassung verliert ob des widerwärtigen erstarkten Antisemitismus, des nie enden wollenden Rassismus. Aber ich bin dann eben auch diejenige, die sich gerne ablenken lässt. Von Schönem, Angenehmem, Spannendem, Hoffnungsvollem. Und gerne erinnere ich mich rückblickend an viel Freude, Übermut und Fröhlichkeit in diesem fast schon vergangenen Jahr.

Ich erinnere mich an die überall in der Schweiz  stattgefundenen Feste und Feiern, an Flohmärkte, an Konzerte, an Geburtstage und an hitzige Diskussionen, an freundschaftliche Begegnungen. Viel wird uns geboten dort, wo wir leben und uns heimisch fühlen. Ich erinnere mich auch an die letzten Wahlen und an die Stimmbeteiligung, die da und dort hätte befriedigender sein können. Mir will es ja nicht einleuchten, warum man lieber die Faust im Sack macht, sich beklagt, gefrustet seinen Alltag lebt anstatt alle vier Jahre einmal ein Kreuzchen auf seinen Wahlzettel zu machen. So unglaublich kompliziert ist das gar nicht und wenn doch, fragen kostet nichts.

Ob ich mich im nächsten Jahr besser zurechtfinden werde mit alldem, was uns auch dann wahrscheinlich immer noch beschäftigen wird? Ob ich trotzdem daran glaube, dass doch vielleicht noch alles, nein, nicht gut, aber immerhin nicht ununterbrochen schlechter kommen möge? Doch, daran glaube ich immer noch. Ich werde weiterhin falsch abbiegen, wütend werden und traurig sein. Aber ich werde mich auf die Adventstage freuen, werde Kerzen in die Fenster stellen, werde Marroni bräteln draussen auf dem Holzofen und ich werde an jene Menschen denken, die alle meine vielen Möglichkeiten nicht haben. Ich werde zukünftig nur noch eine einzige Schlagzeile pro Tag lesen und mir ein Beispiel nehmen an unserem völlig entspannten, mit sich und der Welt im Reinen auf dem Sessel schlummernden Kater. Und während ich ihn streichle, weiss ich, dass ich wieder vermehrt auf mein Bauchgefühl vertrauen und auf meine innere Stimme hören sollte. Dann wird ein Licht sein am Ende des Tunnels.

Brigitte Stettler

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