Beracha Uthayakumar an ihrem ehemaligen Arbeitsplatz im Büro der ALP
Einsatz geben müssen alle Lernenden auf dem Weg zum Berufsabschluss. Für Jugendliche mit schwierigem Umfeld sind die Hürden, die es zu überwinden gilt, nochmals höher. Mit ihrer Geschichte will Berachah Uthayakumar andere inspirieren.
An einem Sommermorgen trifft die Bantiger Post in den Räumlichkeiten der ALP Grauholz im Bernapark Stettlen Berachah Uthayakumar zum Interview. Die junge Frau hat hier ihre KV-Lehre absolviert und soeben ihre Lehrabschlussprüfung bestanden. Bis dahin hat es viel gebraucht, aber heute blickt die 21-jährige gestärkt und selbstbewusst in ihre Zukunft.
Schwieriger Start ins Erwachsenenleben
«Mir gefällt der Kontakt mit Menschen, das Telefonieren, Beraten und Kommunizieren», antwortet Berachah Uthayakumar ohne zu zögern auf die Frage, was ihr an ihrem Beruf besonders zusagt und ergänzt umgehend: «Wenn ich gute Lösungen finden und mit meiner freundlichen Art Leute ebenfalls positiv stimmen kann, bereitet mir das grosse Freude.» Früher sei sie nicht so kommunikativ gewesen, sondern eher etwas verklemmt, erinnert sich die frisch gebackene Kauffrau EFZ. Aufgewachsen ist die Tochter einer tamilischen Familie in Ostermundigen, wo sie die Primar- und Sekundarschule absolvierte. Nach der Schulzeit begann sie dann eine kaufmännische Lehre im Versicherungsbereich. Ihr damaliger Arbeitgeber unterstützte die Jugendliche und half ihr, als sie mit 16 Jahren von zu Hause auszog. Dennoch musste sie ihre Lehre abbrechen. Es war einfach alles zu viel und es galt erst einmal, persönliche Probleme und Rückschläge zu verarbeiten. Bis
zu ihrem 18. Geburtstag hatte sie eine Beiständin. Infolge einer geringfügigen Fehlhandlung wurde ebenfalls die Jugendstaatsanwaltschaft aktiv – ein Glück, wie sich im Nachgang herausstellte. Um die Jugendliche zu fördern und nicht einfach zu bestrafen, wurde sie als Massnahme für ein Coaching bei der ALP Grauholz angemeldet.
«Jeder hat eine zweite Chance verdient.»
Vom Umfeld lösen
Als Berachah Uthayakumar dann von der ALP die Möglichkeit erhielt, ein Praktikum in Frankreich zu machen, sagte sie zu. Mit diesem Aufenthalt fernab der Heimat gelang es ihr, sich von ihrem damaligen Umfeld zu lösen und neue, positive Erfahrungen zu sammeln. In Lyon arbeitete die sympathische Worblentalerin als Praktikantin in einer Cafeteria und in einer Kita. Später besuchte sie eine Französisch-Sprachschule. In dieser Zeit habe es bei ihr klick gemacht: «Ich sagte mir, wenn ich jeden Tag die Schule besuche, kann ich mir vielleicht eine neue Chance erarbeiten und realisierte, dass ich mich entscheiden kann. Entweder nehme ich den einfachen Weg in die Zukunft und habe dann nichts oder ich wähle den steinigeren Weg und erhalte dafür ein normaleres Leben.»
An sich glauben
Der Einsatz und Wille, den sie in Frankreich an den Tag legte, -trugen Früchte. Zurück in der Schweiz durfte Berachah Uthayakumar im Sommer 2022 ihre kaufmännische Lehre im Sekretariat der ALP Grauholz fort-setzen und ins 2. Lehrjahr einsteigen. «Einfach sind die letzten beiden Jahre nicht gewesen», führt sie aus und ergänzt: «Für mich war jedoch klar, dass dies meine letzte Chance ist, einen Abschluss zu machen. Also sagte ich mir immer wieder: dranbleiben, ‹chrampfe›, lernen und an mich glauben.» Auch wenn es streng war, so hat sich der Aufwand vielfach ausgezahlt. Neben dem Fähigkeitszeugnis in der Tasche ist die junge Absolventin heute stärker, selbstsicherer, kommunikativer und mutiger. Andere Menschen, die wie sie selbst etwas höhere Hürden im Leben überwinden müssen, will sie bestärken und betont beherzt: «Jeder hat eine zweite Chance verdient. Wenn man an sich selber glaubt, geht es. Und wenn ich es kann, könnt ihr es auch!»
Und wieder gilt es, dranzubleiben
Auf den Lorbeeren ausruhen will sich die 21-jährige indes nicht. Aktuell ist sie auf der Suche nach einer Anstellung als Sekretariatsmitarbeiterin oder Sachbearbeiterin mit Kundenkontakt. Trotz Fachkräftemangel ist es nicht einfach, direkt nach der Lehre eine Anschlusslösung zu finden, aber wer weiss, vielleicht findet sich schon bald ein passendes Angebot.
Corinne Fischer
