Werden sich Ostermundigen und Bern das Ja-Wort geben?
… Matthias Kuert, Präsident Begleitkommission «Fusion Ostermundigen-Bern».
Herr Kuert, was sind die Aufgaben und Ziele der Begleitkommission und wie setzt sie sich zusammen?
Die Begleitkommission unterstützt und berät den Gemeinderat in Fragen der Fusion. Sie besteht aus Vertretungen der Parteien, der Vereine, der in- und ausländischen Bevölkerung sowie des Gewerbes und der Wirtschaft. Sie ist das Bindeglied zwischen diesen Gruppen und dem Gemeinderat.
Wie ist der aktuelle Stand der Fusionsverhandlungen und wie geht es nun weiter?
Die Verhandlungen der beiden Gemeinden sind fast abgeschlossen. Wir wissen nun, was die Fusion für die Bevölkerung punkto Dienstleistungen und Service Public bedeutet. Der Grosse Gemeinderat hat in Ostermundigen den Auftrag gegeben, die Verhandlungen abzuschliessen. Aktuell werden der Fusionsvertrag und das Fusionsreglement fertiggestellt. Von Oktober bis Dezember können dann die Bevölkerung und alle interessierten Kreise zum Verhandlungsergebnis und zu den Fusionsdokumenten Stellung nehmen (Vernehmlassung). Anfang 2023 werden allfällige Anpassungen vorgenommen. Vor dem Sommer 2023 befinden die beiden Parlamente nochmals darüber. Das letzte Wort hat die Stimmbevölkerung beider Gemeinden.
Das heute auf dem Tisch liegende Verhandlungspaket scheint recht ausgewogen. Stimmt das Verhandlungsergebnis für Ostermundigen?
Ja. Die Begleitkommission begrüsst das Gesamtpaket und beurteilt es als ausgewogen. Sie erachtet die getroffenen Lösungen als eine Art Blumenstrauss, den man nicht je nach eigenen Interessen wieder zerpflücken sollte. Die Begleitkommission anerkennt die gute Verhandlungsleistung des Ostermundiger Gemeinderats. Das Ergebnis gibt Antworten auf viele Fragen zur Fusion. Es lässt sich erkennen, dass beide Seiten im Interesse der Sache zu Kompromissen und pragmatischen Lösungen bereit sind.
Wo sehen Sie Vorteile für Ostermundigen durch eine Fusion?
Für die Einwohnerinnen und Einwohner ist sicher wichtig, dass wir in Ostermundigen insgesamt mehr Dienstleistungen für weniger Steuergeld bekommen. Für Familien zum Beispiel gibt es höhere Beiträge an die Kinderbetreuungskosten, für ältere Leute Unterstützung durch das Kompetenzzentrum Alter, im Bereich Integration mehr Angebote an Sprachkursen. Für mich macht es Sinn, dass wir in Bern mitbestimmen können. Entscheide, die in Bern getroffen werden, betreffen uns oft genauso wie die Berner:innen. Und künftige Herausforderungen wie die Verkehrsplanung oder Digitalisierung können wir besser gemeinsam stemmen. Die Begleitgruppe beurteilt insbesondere die Lösung, die für die Vereine ausgehandelt werden konnte als sehr gut. Auch dass Ostermundigen eine eigene Stadtteilkommission mit eigenem Budget bekommt, wird begrüsst.
Was sind die Nachteile?
Es ist klar: Mit der Fusion reden andere in Ostermundigen mit. Hier gibt es nicht den Fünfer und das Weggli. Die Begleitkommission nimmt zudem zur Kenntnis, dass ein zusätzlicher Gemeinderatssitz für eine Übergangszeit für Ostermundigen nicht verwirklicht werden konnte. Sie anerkennt aber die Gründe, die gegen diese Lösung sprachen. Wichtig ist, dass sich im Gegenzug die Forderung nach einer Stadtteilkommission für Ostermundigen durchgesetzt hat.
Ist mit der längerfristigen defizitären finanziellen Lage der Stadt Bern die durch die Fusion erhoffte Steuersenkung in Ostermundigen in Ferne gerückt? (Bern heute 1.54, Ostermundigen 1.69)
Nein. Die Untersuchungen zeigen, dass Bern die Steuern wegen der Fusion nicht anheben muss. Der Steuersatz wird voraussichtlich in der fusionierten Gemeinde unter dem heutigen Steuersatz von Ostermundigen liegen. Der Grund ist einfach: Bern hat mehr gute Steuerzahlende als Ostermundigen. Gemäss Finanzplan braucht es hingegen in Ostermundigen ohne Fusion schon bald eine vorübergehende Steuererhöhung
Ostermundigen erhält bei einer Fusion keinen Gemeinderatssitz. Wie soll verhindert werden, dass Ostermundigen ohne politische Mitsprache nicht einfach «geschluckt» und die Interessen der Mundiger in der Stadtregierung vertreten werden?
Ostermundigen wählt für vier Jahre eine fusionsbeauftragte Person. Diese ist bei allen Geschäften, welche die Fusion betreffen, in der Stadtberner Regierung dabei und kann Anträge stellen. Dass sie wirklich im Interesse Ostermundigens handelt, stellt die erwähnte Ostermundiger Stadtteilkommission sicher.
Was für Chancen bietet die Ostermundigen angebotene Stadtteilkommission längerfristig?
Dies ist ein innovatives Modell, welches in der ganzen Stadt Schule machen könnte. Die Kommission erhält ein Budget und kann so Vereins- und Kulturförderung in Ostermundigen weiterbetreiben.
Mitte Oktober bis Mitte Dezember startet die öffentliche Vernehmlassung zum Fusionspaket. Wie läuft diese konkret ab?
Alle Interessierten werden sich schriftlich äussern können. Wir ermutigen die Bevölkerung, sich rege einzubringen. Am 24.10 und 25.10 um 18.00 und 20.00 führt der Gemeinderat öffentliche Infoveranstaltungen im Tell’s Saal durch. Die Veranstaltungen vom 24.10 werden auch per Live-Stream übertragen. Es ist wichtig, dass die Bevölkerung gut informiert über die Fusion abstimmen kann.
Steht nun der definitive Termin für die alles entscheidende Schlussabstimmung zur Fusion durch den Souverän fest?
Geplant ist der 26.11.2023.
Corinne Fischer
Das Interview wurde schriftlich geführt

Zur Person:
Matthias Kuert lebt seit knapp 10 Jahren in Ostermundigen und ist Vater von drei Kindern. Er arbeitet für Inclusion Handicap, dem Dachverband der Behindertenorganisationen in der Schweiz und engagiert sich in der Familienarbeit. Seit 2018 ist er Mitglied im GGR und präsidiert als Delegierter der SP die Begleitkommission «Fusion Bern-Ostermundigen»