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Beruf RBS-Lokführer:in als Option für Quereinsteiger?

Julia Graf ist leidenschaftliche Lokführerin beim RBS

Der Lokführerberuf steht als Zweitausbildung auch Personen ohne technischen Hintergrund offen – dieser Beruf ist aber klar kein 08/15-Job. Im Gespräch mit der RBS-Lokführerin Julia Graf erfahren wir mehr über die Ausbildung und den Alltag im Führerstand.

Die Arbeit als Lokführerin beim RBS (Regionalverkehr Bern-Solothurn) beginnt für Julia Graf (27) zirka um vier Uhr, wenn sie Frühdienst hat. Im Depot in Worblaufen schaltet sie dann den Zug ein – noch ohne Fahrgäste: «Das Prüfen ist einmal pro Tag Vorschrift», fügt sie an. Zudem stellt sie vor Ort den Zug zusammen, hängt zwei Züge aneinander und fährt als Leerfahrt vom Depot an den Startbahnhof an den Ausgangsbahnhof, von wo sie gemäss Fahrplan und mit Fahrgästen etwa nach Jegensdorf, Bätterkinden bis nach Solothurn und andere RBS-Strecken fährt. «Wir haben stets verschiedene Linien auf dem Plan», erklärt sie. Wie lange kann man sich dabei konzentrieren? Die RBS-Lokführerin (50%) und RBS-Lokführer-Ausbildnerin (50%) erwidert: 

«Wir müssen uns eine ganze Tour, also zwischen sieben und zehn Stunden konzentrieren können.» Natürlich stellt sich ein gewisser Automatismus ein. «Sofern alles planmässig läuft, ist das normal – doch wir müssen uns selbst gut kontrollieren können und dürfen keine abschweifenden Gedanken haben», betont sie. Das Musikhören und das Radio sind im Führerstand nicht erlaubt. Und: Jegliche Ablenkung vom Fahrdienst ist verboten. Zumeist nach drei Stunden Fahrt gibt es einen Streckenwechsel mit einem Unterbruch. Nach den Morgenspitzen werden Teile der Züge abgehängt. Abends dann mit mehr Fahrgästen, werden sie wiederum verstärkt. «Das Hin- und Herfahren nennen wir Dienstfahrt», erläutert Julia Graf. Im Spätdienst fallen Einschalten und Prüfen weg. Trotzdem gleicht kein Tag dem anderen.

«Zuerst lernte ich Logistikerin.
Als Lokführerin beim RBS bin ich oft in Kontakt mit dem Team – dank kurzen Strecken.»

Julia Graf

Verantwortungsvoll und selbstständig
Die leidenschaftliche Berufsfrau ist seit fast vier Jahren für den RBS im Einsatz. Ihr Erstberuf ist Logistikerin: «Ich komme aus einer Bahnfamilie und war seit jeher fasziniert von diesem Verkehrsmittel», erzählt sie. Der RBS-Infotag überzeugte sie, und so stieg sie im November 2019 in den sechsmonatigen Zweitausbildungslehrgang zur Lokführerin beim RBS ein. Dieser umfasst einen Theorieblock von rund einem Monat zu den Grundlagen, Vorschriften, Signalen und zur Fahrzeugtechnik. «Im Anschluss geht es als Co-Lokführer:in auf die Strecke, wo man in der Regel zirka nach zwei Wochen selber fährt – bis zur Prüfung stets in Begleitung des Ausbildungs-Lokführers», informiert Julia Graf. Die Ausbildung ist ein Mix aus Theorie und Praxis, wo nebst dem Fahren auch das Reagieren im Störungsfall geübt wird. Störungen betreffen zumeist die Software oder sind technisch begründet, was in einem derart dicht befahrenen Netz schnell grosse Auswirkungen hat. Umso wichtiger ist es, ruhig und überlegt mitzuwirken, sodass der Betrieb möglichst rasch wieder im Takt läuft. Beim RBS arbeiten rund 140 Lokführer:innen, auch Teilzeit, der Frauenanteil liegt bei zirka 20 Prozent. «Wir suchen immer motivierte und fähige Leute», sagt Julia Graf. Der RBS bildet ab November 2024 frische Lokführer:innen aus. Derzeit läuft der Rekrutierungsprozess. Voraussetzung ist eine dreijährige abgeschlossene EFZ-Lehre oder Matura. Ausserdem gilt es, sowohl medizinisch als auch psychologisch tauglich zu sein. Dies wird im Voraus getestet. Der Anfangsbruttolohn beträgt je nach Alter und Familiensituation für Junge: zirka Fr. 5’200.–. Das Idealalter liegt zwischen 20 und 50 Jahren. Julia Graf sieht unter anderem in der überschaubaren Grösse des RBS diesen Vorteil: «Man ist verhältnismässig weniger auf sich gestellt als in grösseren Zuggesellschaften; wir sitzen nicht vier Stunden allein im Führerstand, sondern haben immer wieder Kontakt zum Team.» Trotzdem schätzt sie das Verantwortungsvolle und Selbstständige an ihrer Arbeit sehr. Schliesslich ist es für sie schön, den Tag gemeistert zu haben und die Schicht gut abzuschliessen; denn: «Der Tag darauf wird wieder anders.» 

Eindrucksvolle Frequenz
Von 5.10 bis 24.30 Uhr fahren beim RBS zwischen Worblaufen und Bern 604 Reisezüge. Plus: 30 Dienstzüge, Leermaterialzüge. In Spitzenzeiten, zwischen 7 und 8 Uhr, verkehren 41 Züge Richtung Bern Hauptbahnhof, verteilt auf 3’600 Sekunden: Das entspricht durchschnittlich einem Zug alle 88 Sekunden. In der übrigen Zeit beträgt die Zugfolge 90 Sekunden, also 40 Züge pro Stunde.

Der Regionalverkehr Bern-Solothurn gehört schweizweit zu den stärksten frequentierten Privatbahnen und befördert auf Schiene und Strasse jährlich über 26 Millionen Fahrgäste.

Barbara Marty

Weitere Informationen 
www.rbs.ch/lokfuehrerbeimrbs

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