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Auf einen Kaffee mit Regine Schneeberger, Direktorin JVA Thorberg

Regine Schneeberger in ihrem Büro im Schlosstrakt

Letzten Oktober haben Sie die Leitung der Justizvollzugsanstalt Thorberg übernommen. Wie fühlen Sie sich in der neuen Funktion als Direktorin?
Ich fühle mich gut. Mein Amt bringt viel Gestaltungsraum, viel Abwechslung mit sich. Die Möglichkeit, etwas zu bewirken und der rege Kontakt mit Mitarbeitenden und Eingewiesenen machen meine Arbeit spannend.

Wer ist bei Ihnen auf dem Thorberg inhaftiert?
In der JVA Thorberg betreuen wir 173 erwachsene Männer. Die Hälfte ist zwischen 30-50 Jahre alt, 30% sind jünger, 20% älter. Rund 80% sind Ausländer, die aus über 40 Nationen stammen und meist über kein Bleiberecht in der Schweiz verfügen. Nicht alle haben schwerste Straftaten begangen. Zu uns in den geschlossenen Vollzug kommen Leute, bei denen Fluchtgefahr und/oder Rückfallgefahr bestehen.

Was für Delikte haben die Straftäter begangen und wie lange bleiben sie im Schnitt bei Ihnen in der JVA?
1/4 der eingewiesenen Personen haben Betäubungsmitteldelikte begangen, 1/4 Vermögensdelikte wie Einbrüche. 40% wurden wegen Gewalttaten und Tötungsdelikten verurteilt, 10% sind Sexualstraftäter. Mit den eingewiesenen Personen, die im letzten Jahr aus dem Thorberg entlassen wurden, haben wir eine kleine Statistik gemacht. Diese haben im Schnitt 510 Tage in der JVA verbracht. Selbstverständlich leben bei uns aber auch Menschen mit wesentlich längeren Haftstrafen und auch 10 Verwahrte.

Wie sieht bei Ihnen als Direktorin ein klassischer Arbeitstag aus?
Grundsätzlich sieht mein Arbeitstag wie bei jeder anderen Führungsperson aus: Büroarbeit und viele Sitzungen. Es gibt aber schon einige Spezifitäten. So habe ich nicht nur viel Kontakt mit Mitarbeitenden, sondern auch mit den Eingewiesenen und werde schon auf dem Weg ins Büro auf zig Sprachen gegrüsst.

Ende der 80er-Jahre waren Sie studienbegleitend als Betreuerin im Frauengefängnis Hindelbank tätig, heute sind Sie Direktorin der Männervollzugsanstalt.
Ja, bereits während meinem Studium in Sozialer Arbeit war ich in Hindelbank tätig. Der Strafvollzug hat mich schon immer fasziniert und ich habe mich bewusst dafür entschieden, in diesem Bereich zu arbeiten. 

Was hat sich seit den 80er-Jahren im Strafvollzug verändert?
Zum einen hat es einen Professionalisierungsschub gegeben. Das verlangte Niveau an die Mitarbeitenden in der JVA, aber auch bei den einweisenden Behörden sowie in der forensischen Psychiatrie ist gestiegen.
Dann hat die Null-Risikopolitik stark durchgeschlagen und es wurden verschiedene Verschärfungen vorgenommen. Dass Eingewiesene einer Arbeit ausserhalb des Sicherheitspermieters nachgehen oder Freigänge erhalten, ist in der Schweiz heute im geschlossenen Vollzug viel, viel seltener als früher.

Wo sehen Sie in der JVA Thorberg Verbesserungspotenzial?
In der Arbeit mit Angehörigen und Kindern bestehen noch Verbesserungsmöglichkeiten. Ebenso in der Tataufarbeitung, die wir stärker in der Bezugspersonenarbeit verankern wollen.
Mit unserem aktuellen Umbauprojekt werden wir diverse Neuerungen einführen, die dem «Vollzug nach Mass» und damit den internationalen Standards entsprechen. Wir wollen weg vom Giesskannenprinzip und den Fokus stärker auf individuelle Risikofaktoren und die individuelle Betreuung legen. Nicht jeder Gefangene benötigt dieselben Massnahmen für eine erfolgreiche Resozialisierung. 

Ist es schwierig, gutes Personal zu finden?
Ja, tatsächlich ist der Fachkräftemangel auch bei uns ein Problem. Neben Sicherheitsmitarbeitenden sind wir immer wieder auf der Suche nach qualifizierten Sozialpädagog:innen für die Bezugspersonenarbeit, Arbeitsagog:innen und Mitarbeitenden für den Gesundheitsdienst.

Die JVA Thorberg ist nicht nur ein Ort der Sühne und Resozialisierung, sondern auch ein interessanter Wirtschaftspartner in der Region. Wo profitieren die umliegenden Gemeinden resp. Gewerbe von der Zusammenarbeit mit der JVA?
Wir beziehen diverse Produkte für unsere Grossküche wie Fleisch, Gemüse und Früchte aus der Region und unsere Milch stammt von einem lokalen Bauern. Dann haben wir einen kleinen Laden, in welchem die eingewiesenen Männer aus ihrem eigenen Geld Produkte erstehen können. Diese Waren beziehen wir ebenfalls von einem lokalen Händler. Auch im handwerklichen Bereich berücksichtigen wir lokale und regionale Partner. Grössere Projekte werden jedoch, wie beim Kanton üblich, ausgeschrieben und unterliegen den kantonalen Beschaffungsbestimmungen.

Wie sicher ist die JVA?
Im Bereich Sicherheit sind verschiedene Aspekte massgebend. Mit unserer Infrastruktur, sicheren Prozessen und der dynamischen Sicherheit verfügen wir über eine sehr sichere Justizvollzugsanstalt, die sowohl für die Aussenwelt als auch für unsere Mitarbeitenden einen hohen Schutz gewährleistet.

Was bedeutet das Neubauprojekt der JVA Witzwil für den Standort Krauchthal?
Ist dieser damit mittel- bis langfristig gefährdet?
Ob und in welcher Form die JVA auf dem Thorberg weitergeführt wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch offen.

Die Menschen werden heutzutage immer älter. Was machen Sie mit betagten Eingewiesenen, z. B. mit dementen Verwahrten? Gibt es eine Geriatrieabteilung innerhalb der Institution oder arbeiten Sie mit der lokalen Spitex o.ä. zusammen?
Wir haben nur wenige alte Eingewiesene. Die JVA Thorberg verfügt zwar über einen Gesundheitsdienst, ist jedoch nicht für Pflegefälle ausgerüstet. In so einem Fall wäre die Verlegung in eine andere Institution angezeigt.

Wenn Sie einem Insassen gegenübertreten, sehen Sie dann vor sich primär den Menschen oder den Straftäter?
Ich sehe primär den Menschen, jedoch bin ich mir dabei sehr bewusst, wo ich arbeite und welchen Hintergrund mein Gegenüber hat.

Kommt es vor, dass Freundschaften zwischen Insassen und Mitarbeitenden entstehen?
Empathie und Wertschätzung sind für die Resozialisierung wichtig und gerade im Hinblick auf die dynamische Sicherheit ist die Beziehung zwischen eingewiesenen Personen und Mitarbeitenden massgebend. Wir sprechen hier aber von professioneller Beziehungsgestaltung und sicher nicht von Freundschaft. Dies wäre völlig verfehlt und unprofessionell. Eine gewisse Nähe ist wichtig, genauso aber Distanz. 

Wie stark beeinflusst die Straftat Ihr Verhalten gegenüber einer eingewiesenen Person und wie begegnen Sie Menschen, die besonders brutale Taten begangen haben?
Wichtig ist, ob eine Gefahr für mich besteht. Je nachdem finden Gespräche nur in Begleitung oder hinter Glasscheiben statt. Im direkten Gespräch hat für mich das Delikt keinen Einfluss. Dabei steht anderes im Vordergrund.

Was ist Ihr Ausgleich zum Arbeitsalltag?
Ich reise gerne oder verbringe Zeit mit Lesen und Kochen.

Was hilft Ihnen, sich trotz täglicher Konfrontation mit schweren Geschichten eine gewisse Leichtigkeit zu bewahren?
Auch wenn ich mich gut abgrenzen kann, gibt es Geschichten, die mich berühren. Meine Familie und mein gutes Umfeld sind für mich wichtig. Ich empfinde meine Arbeit allerdings nicht als belastend, sondern erachte es als Privileg, einer für mich hochinteressanten Arbeit nachgehen zu können. 

Corinne Fischer

Zur Person
Regine Schneeberger Georgescu leitet seit letztem Oktober die Justizvollzugsanstalt Thorberg. Ihre Karriere hat die 56-jährige Führungspersönlichkeit, die in der Region Bern aufgewachsen ist, kontinuierlich im Justizvollzug aufgebaut. Sie ist verheiratet und Mutter von 2 Kindern.

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